Deutsche Texte B2
Deutschland in der Nachkriegszeit
If you’re interested in history, you’ll enjoy this text about post-1945 Germany. You’ll get some information about the situation of the people back then and two women will tell you how they experienced the last months of the war and the time afterwards. I know that the topic is a bit tough but enjoy reading. And if you’d like to see what Berlin looked like in 1945, click here for a video (but read the text first). If you prefer to learn offline, you can download a PDF and mp3 file with this text.
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Der 2. Weltkrieg endete in Europa am 8. Mai 1945 mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands nach dem Suizid Adolf Hitlers. Die Siegermächte Sowjetunion, USA, Großbritannien und Frankreich übernahmen die Kontrolle über das Land. Viele Städte waren fast komplett zerstört. Besonders hart getroffen hatte es Berlin, Dresden und das Ruhrgebiet. Viele Männer waren entweder im Krieg gefallen oder befanden sich in Gefangenschaft und kehrten teilweise erst Jahre nach Kriegsende zurück.
die bedingungslose Kapitulation, unconditional surrender
die Siegermacht, winner of the war
die Kontrolle übernehmen, to take over control
im Krieg fallen, to die in war
Eine Berlinerin erzählt
“Zuerst waren wir froh, dass die Bombardierungen ein Ende hatten und wir wieder in Ruhe schlafen konnten. Und natürlich, dass der Hitler weg war. Mich interessiert Politik nicht, aber sie hat ja trotzdem unser Leben beeinflusst.
Ich habe 1942 geheiratet. Da war ich erst 19, mein Mann ein Jahr älter. Ich war schwanger und unsere Tochter wurde Ende 1942 geboren. Da war mein Mann schon an der Front, irgendwo in Frankreich. Er hatte Glück, dass er Anfang 1944 in Gefangenschaft geriet. Die Franzosen haben ihn halbwegs anständig behandelt und schon wenige Monate nach Kriegsende wieder nach Hause geschickt.
Wir haben erst nach der Kapitulation gesehen, wie kaputt Berlin wirklich war. Im letzten Kriegsjahr waren wir ja die meiste Zeit in den Bunkern und sind nur auf die Straße gegangen, um Essen zu besorgen. Tja, was sollte man machen? Die Männer waren entweder weg oder verwundet oder zu alt, also haben vor allem wir Frauen uns daran gemacht, die Stadt wieder aufzubauen.
Trümmerfrauen haben sie uns genannt. Und zwischendurch mussten wir ja auch noch schauen, wie wir an Essen und Kleidung kamen. Der erste Winter nach dem Krieg war fast genauso hart wie der Winter 1944/45. Meine Tochter war drei, die brauchte regelmäßig etwas zum Essen. Ich dagegen bin an so manchen Tagen hungrig ins Bett gegangen. Aber ab 1946 wurde es dann besser. Zu der Zeit war mein Mann auch schon wieder zu Hause.

in Gefangenschaft geraten, to be captured
jemanden anständig behandeln, to treat someone decently
Essen besorgen, to find food
verwundet sein, to be wounded
die Trümmerfrau, woman who rebuilt houses after World War II
Flucht aus dem Osten
Während die Menschen im heutigen Deutschland mit Nahrungsmittelknappheit und zerstörten Städten zu kämpfen hatten, aber insgesamt froh waren, dass der Krieg vorbei war, mussten Deutsche, die in Gebieten lebten, die heute zu Polen, Tschechien oder Rumänien gehören, um ihr Leben fürchten.
Die einheimische Bevölkerung hasste sie, sie wurden zu einem großen Teil enteignet und hatten keine andere Wahl, als sich mit leeren Händen auf den Weg nach Deutschland zu machen, um dort neu anzufangen.
Dieser Exodus aus dem Osten begann bereits im Winter 1944/45 und viele Menschen kamen aufgrund der Kälte und der fehlenden Nahrungsmittel auf dem Weg nach Westen ums Leben. Teilweise wurden sie auch von den Sowjets gefangen genommen und in Zwangsarbeitslager geschickt.
Diejenigen, die heil im Westen ankamen und dort keine Verwandten hatten, stellten oft fest, dass sie bei der Westbevölkerung nicht willkommen waren. Diese sahen sie als Konkurrenten um die kaum vorhandenen Ressourcen wie Nahrungsmittel, Wohnraum und Medikamente an. Mehr als 12 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene suchten nach 1945 eine neue Heimat.

die Nahrungsmittelknappheit, food shortage
um sein Leben fürchten, to fear for one’s life
die einheimische Bevölkerung, local people
enteignet werden, to expropriate someone
das Zwangsarbeitslager, forced labour camp
heil ankommen, to arrive safely
der Vertriebene, displaced person
Barbara aus Königsberg erzählt
Meine Familie hat seit dem 18. Jahrhundert in der Nähe von Königsberg gewohnt. Das heißt heute Kaliningrad und gehört zu Russland. Der große Philosoph Immanuel Kant hat dort gelebt und gelehrt. Wir hätten nie gedacht, dass wir da mal weg müssten.
Das Verhältnis zwischen der russischen, der polnischen und der deutschen Bevölkerung in der Gegend war immer gut. Selbst nach dem Überfall Hitlers auf Polen im Jahr 1939 änderte sich zunächst nichts. Unsere Nachbarn kannten uns ja. Und wir waren genauso schockiert. Im Prinzip hatten wir mit Deutschland ja nichts zu tun. Klar, wir hatten von den Nazis gehört, aber es ging uns nichts an. Wir waren so weit weg. Dachten wir.
So ab 1943 schlug die Stimmung komplett um. Plötzlich waren alle Deutschen Feinde. Unsere polnischen und russischen Nachbarn wollten nichts mehr mit uns zu tun haben. Ein Jahr später wurde klar, dass wir weg mussten. Es gab damals auch Gerüchte, dass die Sowjets alle deutschen Männer in Lager stecken und die Frauen vergewaltigen würden.
Meine Familie hatte Glück. Wir konnten im Frühjahr 1944 einiges verkaufen und hatten so ein bisschen Geld. Und wir schafften es trotz Krieg und Bombardierungen noch während der warmen Jahreszeit bis nach Schweden. Dort blieben wir bis Kriegsende und fuhren dann im Sommer 1945 nach Deutschland.
Mein Mann hatte Verwandte in Bayern. Die hatten wir zwar nie gesehen, aber ebenso wie wir in Königsberg waren sie in der Landwirtschaft tätig und bereit, uns aufzunehmen. Später konnten wir dann unseren eigenen Hof aufbauen und hatten ein gutes Leben. Bayern war auch nicht so schlimm zerstört wie andere Teile Deutschlands, es ging recht schnell wieder aufwärts.

der Überfall Hitlers auf Polen, Hitler’s attack of Poland
die Stimmung schlug um, the public opinion changed
das Gerücht, rumour
jemanden in ein Lager stecken, to lock someone up in a camp
vergewaltigen, to rape
trotz Krieg, despite war
in der Landwirtschaft tätig sein, to work in agriculture
Die politische Entwicklung 1945 - 1949
Im November 1945 begannen in Nürnberg die Kriegsverbrecherprozesse gegen zahlreiche führende Nazi-Politiker. 177 Personen wurden angeklagt, 24 zum Tode verurteilt und 12 von ihnen tatsächlich hingerichtet.
Gleichzeitig begann mit Hilfe von Fragebögen und Anhörungen der Entnazifizierungsprozess, der jedoch nur teilweise erfolgreich war. Zahlreiche ehemalige Nazis schafften es, sich im neuen Deutschland unauffällig zu integrieren und besetzen teilweise wichtige Posten in Unternehmen und Regierungsinstitutionen.
Bereits 1946 wurde klar, dass die politischen Positionen der Sowjetunion und der westlichen Siegermächte unvereinbar waren und es auf eine Teilung Deutschlands hinauslaufen würde. Im Dezember 1947 kam es dann zum endgültigen Bruch zwischen den Alliierten.
Die Einführung der D-Mark in den Westzonen im März 1948 führte dazu, dass die Sowjetunion die Zufahrtswege nach Berlin blockierte. Fast ein Jahr lang wurde die Berliner Bevölkerung über die Luft mit allem Nötigen versorgt, mit Hilfe der sogenannten Rosinenbomber.
Am 23. Mai 1949 wurde die Bundesrepublik Deutschland und am 7. Oktober 1949 die Deutsche Demokratische Republik gegründet. Die unmittelbare Nachkriegszeit führte somit zur Teilung Deutschlands und Berlins, was 40 Jahre andauern sollte.

die Kriegsverbrecherprozesse, trials of war criminals
jemanden anklagen, to indict someone
jemanden zum Tode verurteilen, to convict someone to death
jemanden hinrichten, to execute someone
die Anhörung, official hearing
der Entnazifizierungsprozess, denazification process
unvereinbar sein, to be incompatible with
der endgültige Bruch, the final breach
der Rosinenbomber, plane which provided Berlin with food
die unmittelbare Nachkriegszeit, the immediate post-war time