
Deutsche Texte B2
Ein- und Auswanderung
In diesem Text findest du Informationen über die Einwanderung nach Deutschland und die Auswanderung von Deutschen in andere Länder. Vielleicht willst du selber nach Deutschland, Österreich oder in die Schweiz gehen oder lebst schon dort.
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Ein- und Auswanderung:
18. Jahrhundert bis 1914: Auswanderung nach Amerika
Bereits ab dem Jahr 1700 wanderten Menschen aus dem deutschsprachigen Raum in die USA, nach Kanada, Brasilien und Argentinien aus. Zwischen 1816 und 1914 zogen 5,5 Millionen Deutsche in die USA und waren damit zeitweilig die größte Einwanderungsgruppe. Sie gingen, weil das schnelle Bevölkerungswachstum zu immer mehr Armut und Arbeitslosigkeit führte und sie in ihrer Heimat keine Zukunft mehr sahen. Dieses änderte sich mit der zunehmenden Industrialisierung ab dem Ende des 19. Jahrhunderts.

aus dem deutschsprachigen Raum, from the German speaking regions
zeitweilig, for a while
das Bevölkerungswachstum, population growth
die Armut, poverty
zunehmend, increasing
1890er-Jahre bis 1918: Arbeitskräfte für Industrie und Kriegswirtschaft
Besonders das Ruhrgebiet brauchte ab Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend Arbeitskräfte in den Stahlfabriken und Kohlebergwerken. Es kamen vor allem polnischsprachige Ostpreußen. Auch Wanderarbeiter aus Italien und Österreich-Ungarn kamen ins Deutsche Reich. Da sie im Gegensatz zu vielen Polen jedoch nicht dauerhaft blieben, kann man sie nicht als Einwanderer bezeichnen.

die Stahlfabrik, steel factory
das Kohlebergwerk, coal mine
polnischsprachige Ostpreussen, Polish-speaking people from East Prussia
der Wanderarbeiter, migrant worker
im Gegensatz zu, contrary to
dauerhaft, permanent
Zwischenkriegszeit: Russische und jüdische Zuwanderer aus Osteuropa
Die kommunistische Revolution und der Sturz des russischen Zarenreiches trieben etwa 1,5 Millionen Menschen in die Flucht, viele von ihnen Aristokraten und Unternehmer. Ihre erste Station war Berlin, wo bis 1922/23 etwa 600.000 Flüchtlinge ankamen. Da sie jedoch weder rechtliche noch wirtschaftliche Unterstützung erhielten, zog ein Großteil weiter nach Paris oder New York. Noch schwieriger war die Situation für die Juden, die vor gewalttätigen Ausschreitungen in Süd- und Südosteuropa geflohen waren. Bis 1921 beantragten etwa 70.000 jüdische Flüchtlinge Asyl in der Weimarer Republik, nicht ahnend, dass die Situation sich hier innerhalb weniger Jahre um ein Vielfaches verschlimmern würde.

der Sturz des Zarenreiches, the fall of tsardom
in die Flucht treiben, to make people leave the country
gewalttätige Ausschreitungen, violent riots
Asyl beantragen, to apply for asylum
um ein Vielfaches, by multiple times
verschlimmern, to get wo
1933 - 1945: Judenverfolgung und Massenflucht
Mit der Wahl Adolf Hitlers zum Reichskanzler endete faktisch der Rechtsstaat der Weimarer Republik und Deutschland wurde zur Diktatur. Etwa die Hälfte der 500.000 Juden schaffte es, Deutschland bis 1939 zu verlassen. Dabei trafen sie jedoch zunehmend auf Schwierigkeiten, da nur wenige Staaten bereit waren, sie aufzunehmen. Die meisten von ihnen landeten schließlich in den USA oder in Palästina. Nur 34.000 Juden überlebten das NS-Regime in Deutschland.

die Wahl, election
etwa die Hälfte, about half
jemanden aufnehmen, to let someone live in the country
1955 - 1989: Gastarbeiter in West- und Ostdeutschland
Trotz des totalen Zusammenbruchs und der fast völligen Zerstörung fast aller deutschen Großstädte erholte sich vor allem die deutsche Wirtschaft nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges erstaunlich schnell. Natürlich war es auch den hohen Verlusten vor allem bei der männlichen Bevölkerung geschuldet, dass die Bundesrepublik bereits ab 1955 dringend Arbeitskräfte für die Industrie brauchte. Zwischen 1955 und 1973 kamen 14 Millionen sogenannte Gastarbeiter. Viele kehrten mit der Wirtschaftskrise und dem Anwerbestopp 1973 in ihre Heimat zurück, aber vor allem Türken, Italiener und Jugoslawen blieben und holten ihre Familie nach. Auch die DDR warb ab Mitte der 1960er Gastarbeiter an, die aus anderen kommunistischen Ländern kamen, vor allem aus Vietnam und Mosambik.

trotz, despite of
der Zusammenbruch, collapse
die Zerstörung, destruction
sich erholen, to recover
erstaunlich, surprisingly
hohe Verluste, high losses
dringend, urgent
der Anwerbestop, recruitment stop
anwerben, to recruit
1945 bis heute: Vertriebene und Spätaussiedler
Zwischen 1680 und 1800 zogen etwa 740.000 Deutsche vor allem ins heutige Rumänien und Russland. Während des ersten und zweiten Weltkriegs wurden eroberte oder besetzte Gebiete von Deutschen besiedelt und die einheimische Bevölkerung vertrieben. Mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands und dem Ende des Zweiten Weltkriegs drehten die betroffenen Länder den Spieß um. Rund 14 Millionen Menschen flohen aus Ost- und Südosteuropa in die neu entstehenden deutschen Staaten. Ab 1953 regelte ein Gesetz ihre Aufnahme als Aussiedler, denen die deutsche Staatsangehörigkeit zustand, auch wenn ihre Vorfahren bereits vor Hunderten von Jahren das deutsche Staatsgebiet verlassen hatten. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion kamen in den 1990er Jahren nochmals 4,5 Millionen sogenannte Spätaussiedler nach Deutschland.

ins heutige Rumänien, to today’s Romania
erobern, to conquer
besetzen, to occupy
besiedeln, to settle
vertreiben, to exile
den Spieß umdrehen, to turn the tables
die Staatsangehörigkeit, citizenship
die Vorfahren, ancestors
21. Jahrhundert: EU-Freizügigkeit und Anwerbung qualifizierter Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern
Mit der EU-Freizügigkeit hat jeder EU-Bürger die Möglichkeit, in einem der 27 EU-Mitgliedsstaaten zu wohnen und zu arbeiten. Das nutzen vor allem Menschen aus den ärmeren Ländern im Süden und Osten Europas, um besser bezahlte Jobs in Deutschland, Frankreich oder Skandinavien zu finden. Früher war auch Großbritannien ein beliebtes Ziel, aber mit dem Brexit wird sich das wohl ändern. Auch viele Deutsche nutzen die Möglichkeiten, die die EU ihnen bietet. Vor allem deutsche Rentner ziehen gerne nach Spanien oder Südfrankreich, weil das Wetter dort besser ist. Seit 2012 können Ausländer aus Nicht-EU-Ländern mit Hilfe der sogenannten Blauen Karte nach Deutschland kommen. Die Blaue Karte ist ein Visum für Ausländer, die Universitätsabschluss haben und mindestens €50.800 brutto im Jahr verdienen. Sie ist für zunächst 4 Jahre gültig und kann verlängert werden.

die Freizügigkeit, freedom of movement
nutzen, to make use of
ein beliebtes Ziel, a popular destination
der Rentner, retired person
verlängern, to extend